Raum ist für das menschliche Dasein bestimmend, und ein Großteil dieser räumlichen Umgebung ist von Menschen gestaltet. Das menschliche Leben spielt sich immer in Räumen ab, sei es in einer Landschaft, einer Stadt, einem Haus oder einem Zimmer. Fast selbstverständlich verlassen sich Menschen darauf, dass ihre gebaute und natürliche räumliche Umgebung beständig ist, obwohl Erdbeben oder Kriege Räume plötzlich zerstören können. Mit ihren Sinnen nehmen Menschen Räume unmittelbar, individuell und immer wieder auf neue Art und Weise wahr. In bestimmten Räumen wird gern oder ungern spaziert, geruht, geträumt oder gearbeitet. Ein Wald oder eine Straße können morgens einladend und nachts bedrohlich wirken. Innerhalb von Sekunden wird eine räumliche Situation als eng oder weit, sicher oder bedrohlich, einladend oder abstoßend wahrgenommen und beeinflusst entsprechend das Verhalten. Auf einer Wanderung wird für die Rast zielsicher ein Ort ausgesucht, an dem die Sonne scheint und der Wind nicht zu stark ist, aber ausreichend kühlt, an dem sich ein schöner Ausblick bietet und die Klänge aus der Umgebung so gut absorbiert werden, dass sie die gewünschte Ruhe nicht stören. Die Atmosphäre eines solchen Platzes detailliert zu beschreiben bereitet Mühe, weil mehrere Aspekte gleichzeitig den Gesamteindruck bestimmen und einzeln nicht bewusst wahrgenommen und analysiert werden.

Menschen gestalten ihre räumliche Umgebung, um sich vor Naturgewalten zu schützen und ihren unterschiedlichen Verhaltens-, Arbeits- und Lebensweisen, Bedürfnissen und Vorstellungen Ausdruck zu geben. Ein Großteil der räumlichen Umgebung ist fremdbestimmt und vorgegeben, häufig nach den Vorstellungen und privaten Interessen anderer, nach natürlichen Gegebenheiten oder dem Willen einer politischen Mehrheit. Gebaute Räume können durch ihre Form, Materialität, durch Licht oder Farben die Sinne und den Kopf stimulieren, durch ihren Maßstab Schutz oder Geborgenheit bieten und mit ihrer Gestalt Überraschung, Staunen, Freude oder Wohlbefinden auslösen. Die Erfindung eines räumlichen Behälters ermöglicht zugleich immer die Erfindung seiner Bespielung. Die Raumgestalt kann als gebaute Umsetzung der kulturell-weltanschaulichen, ortsspezifischen, ökonomischen, politischen, sozial oder durch Nutzung bedingten Parameter beschrieben werden, die die menschliche Existenz bestimmen. Diese Parameter sind ständigen Veränderungen unterworfen und prägen die gebauten Räume immer wieder neu. Sowohl die für einzelne Individuen maßgeblichen als auch die für Gruppen relevanten Anforderungen und Vorstellungen sind in der Raumgestalt zu erkennen – gelegentlich für Jahrtausende und manchmal nur für wenige Stunden. Raumgestaltung lässt sich allgemein als jede Form aktiver Raumaneignung definieren, unabhängig davon, ob es sich um ein Zimmer oder eine Landschaft handelt. Raum steht als sinnlich und kognitiv wahrnehmbare Beziehung zwischen Dingen, Körpern oder Elementen der belebten Natur.

Voraussetzung für jede Raumgestaltung und deren Wirkung ist die menschliche Wahrnehmung des umgebenden Raums mit den Sinnen und dem kognitiven Apparat. Alle vom Raum ausgehenden Sinnesreize werden im Gehirn verarbeitet. Das Empfinden, Verhalten und die Bewegungen im Raum sind hiervon unmittelbar beeinflusst.

Man geht davon aus, dass der Mensch bis zu dreizehn Sinne besitzt, darunter die fünf Hauptsinne Sehen, Hören, Tasten, Riechen, Schmecken und der Gleichgewichtssinn. Manche Menschen verfügen nicht über alle Sinne oder können bestimmte Sinnesreize, wie zum Beispiel Licht oder Geräusche, nur in sehr geringem Umfang aufnehmen. Mit Hilfe des Gleichgewichtsorgans wird zum Beispiel die Erdanziehung und hierdurch die vertikale Richtung als ständige Orientierungsrichtung im Raum wahrgenommen.

Die Raumwahrnehmung dient der für das tägliche Leben grundlegenden Orientierung, ohne dass alle Raumeigenschaften vollständig registriert werden könnten. Im Alltag werden ständig neue und unbekannte Räume genutzt. Viele Informationen im Raum werden mit den Sinnen und kognitiv so schnell verarbeitet, dass sie ohne Einschaltung des Verstandes zu bestimmten Verhaltens- und Handlungsweisen führen. Die menschliche Erkenntnis- und Informationsverarbeitung lässt einen Raum sehr schnell als behaglich, unbehaglich, beklemmend oder schützend er- scheinen, ohne dass einzelne Raumeigenschaften bewusst wahrgenommen werden: Bereits beim Betreten eines Cafés fällt die Entscheidung,ob die Raumatmosphäre gefällt oder nicht.

Raumwahrnehmung ist immer individuell geprägt: Erwachsene erleben einen Ort, an dem sie sich in ihrer Kindheit aufhielten und den sie als groß in Erinnerung behalten haben, viele Jahre später als klein. Gleichzeitig gibt es aber viele Raumeigenschaften, die von mehreren Menschen ähnlich wahrgenommen werden, anders könnten zum Beispiel räumliche Orientierungs- und Leitsysteme nicht funktionieren. Die Wahrnehmung der räumlichen Umgebung findet meist in Bewegung statt, und die Beschaffenheit einer räumlichen Situation kann dazu anregen.